Sonntag, 17. März 2013

Begegnung mit Loretta Walz

von Nadine Thielen

Bevor wir auf die Regisseurin Loretta Walz getroffen sind, hatten wir am Morgen ihre Dokumentation Die Frauen von Ravensbrück gemeinsam gesehen. Die Dokumentation hatte mich und augenscheinlich die ganze Gruppe beeindruckt. Zwei Minuten nach Ende des Films saßen wir noch immer in Gedanken vor der Leinwand – ohne, dass ein Wort in der Gruppe gesprochen wurde. Umso gespannter waren wir auf die Frau, die die Interviews mit den Frauen aus Ravensbrück geführt hatte. Wie kam sie dazu sich mit dem Thema Frauen im Konzentrationslager zu beschäftigen? Wie hatte sie selbst die gezeigten Interviews erlebt? Was hat der Film vielleicht nicht gezeigt?
Am Abend dann saßen wir der Regisseurin Loretta Walz in einem großen Stuhlkreis gegenüber. Sie erzählte uns wie sie in den 1970ern in einer Dokumentation drei Frauen aus drei verschiedenen Generationen porträtierte. Eine dieser Frauen war eine ehemalige Inhaftierte des Konzentrationslagers Ravensbrück. Die Idee einen Film über diese ehemalige Inhaftierte zu drehen war geboren. Loretta Walz sagte uns, wenn sie damals gewusst hätte, dass aus diesem einen Interview insgesamt 200 Interviews mit ehemaligen Häftlingen entstehen würden, hätte sie mit diesem Projekt vielleicht niemals begonnen.
Natürlich fanden nicht alle 200 Frauen einen Platz in der 90-minütigen Dokumentation über die Frauen von Ravensbrück. Walz begründete uns ihre Auswahl und gab uns damit wichtige Hinweise für das journalistische Arbeiten. Unseren vielen Fragen zur Organisation und Finanzierung des aufwendigen Projektes begegnete sie sehr offen und aufrichtig. Sie leistete damit einen wichtigen Beitrag für den journalistischen Rahmen des Seminars.
Daneben hat mich Walz’ Umgang mit der Monatsblutung der Frauen im Lager sowie der Sterilisation von Häftlingen besonders beeindruckt. Zu lernen wie man mit sensiblen Themen journalistisch umgeht war ein wichtiger Grund für mich an der Nahaufnahme 2013 teilzunehmen. Die Frauen von Ravensbrück sprechen auch über diese Themen und sorgen damit für ein noch stärkeres Gefühl der Betroffenheit.
Schließlich hat mich Walz’ ganz bewusst einseitiger Umgang mit dem Thema Nationalsozialismus überzeugt. Walz habe sich bewusst für die Thematisierung der Häftlinge entschieden. Sie erklärte uns, dass sie zwar auch im Rahmen einer Dokumentation auf Täter getroffen sei. Diese Interviews empfand sie allerdings als schwierig. Die bewusste Eingrenzung des Themas ist für mich als Journalistin ein wichtiger Hinweis, gerade deshalb weil von Journalisten so oft gefordert wird Generalisten zu sein. Mit einer bewussten Arbeitsteilung im Journalismus kann so eine genauere Analyse gesellschaftlicher relevanter Themen  abgegeben werden. So gelingt es Walz die Situation der Häftlinge detailliert auszuleuchten ohne nur an der Oberfläche zu bleiben.
Fast dreißig Jahre hat Loretta Walz an den Frauen von Ravensbrück gearbeitet. Sie hat uns berichtet, dass im Vorfeld bereits immer wieder Dokumentationen über einzelne Interviewpartnerinnen entstanden seien. Eine langfristige Beschäftigung mit den Diskriminierungen, Erniedrigungen und der Gewalt der Nationalsozialisten scheint mir ein geeigneter Umgang mit der Thematik – sowohl journalistisch als auch persönlich. Auch für mich ist die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus nach den zwei Wochen der Nahaufnahme 2013 noch lange nicht vorbei. Loretta Walz hat uns gezeigt wie so eine Beschäftigung aussehen kann.

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