Mittwoch, 6. Februar 2013

Eindrücke der Teilnehmer nach der Internationalen Begegnung in Oświęcim/ Notiert von Christine Chiriac

Christine Chiriac

Der erste Projektteil ist nun am 28. Januar 2013 zu Ende gegangen. Doch wie war die Woche in Oświęcim/ Auschwitz? Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben ihre Eindrücke mit Christine Chiriac aus Rumänien geteilt.


Monika Jania, 26, Polen: „Ich bin überzeugt, dass es nicht ein, sondern zwei Auschwitz gibt. Eins ist das Auschwitz während des Kriegs, das andere ist das Auschwitz der Erinnerungen – das Auschwitz der Spuren, die in den Seelen bleiben. Ich denke dabei an den Künstler und ehemaligen Auschwitz-Häftling Marian Kołodziej. Er hat 50 Jahre lang all das verschwiegen, was er im KZ erlebt hat. Erst sehr spät konnte er das Schweigen über 'sein Auschwitz' brechen. 50 Jahre sind 18.250 Tage. 18.250 Tage sind 430.000 Stunden. 430.000 Stunden sind insgesamt 26.280.000 Minuten des Schweigens über Auschwitz.“


Georg Taubitz, 21, Deutschland: „Es hat mich sehr gefreut, dass wir während dieser Woche als Gruppe so zusammengewachsen sind – und dass die Zeitzeugen immer mit uns waren. Es ist so vieles besprochen worden, es war ein so großes Interesse da, eine so eindeutige Bereitschaft, sich auszutauschen. Heute bei der Gedenkveranstaltung habe ich verstanden, dass hier vor 68 Jahren das größte Grauen gerade zu Ende gegangen war. Es hat mich unfassbar beeindruckt, es ist jetzt für mich real geworden.“

Jan Schulte, 25, Deutschland: „In der Schule haben wir zu diesem Thema natürlich viel gelernt, wir haben viele Bilder gesehen, viele Texte gelesen, viele Filme geschaut, aber es ist nicht zu vergleichen mit dem, was wir hier im Laufe der Projektwoche erlebt haben. Beeindruckend war nicht nur die Besichtigung des Lagers, sondern vor allem der direkte Kontakt zu den Zeitzeugen. Es war für mich eine ganz wichtige Woche, die ich garantiert nie vergessen werde. Wir, die junge Generation, sind in der Pflicht, die Erinnerung weiter zu tragen, ganz gleich ob über Fernsehen, Radio, Zeitung oder Blogs.“

Julijana Zarchi, 75, Litauen: „Die Eindrücke, die ich hier gewonnen habe, sind bereichernd auf sehr verschiedenen Ebenen. Bereichernd ist erst einmal die unmittelbare Erfahrung dieses Ortes, über den ich gelesen und gehört habe, aber den ich bisher noch nie besucht habe. Bereichernd waren verschiedene, für mich neue historische Kenntnisse. Bereichernd die vielen Gespräche mit Zeitzeugen und das Kennenlernen dieser Persönlichkeiten. Bereichernd die menschlichen Begegnungen. Bereichernd das Treffen mit der jungen Generation. Es war insgesamt ein großes Erlebnis. Für mich ist es zudem sehr berührend, dass die Geschichte nicht vergessen wird. Ich weiß, dass ihr, die junge Generation, unsere Erinnerungen weiterführen werdet.“

Jacek Zieliniewicz, 87, Polen: „Hier haben sich drei Generationen getroffen, die sich bis vor Kurzem nicht kannten. Nach wenigen Tagen bilden wir schon eine Gruppe von Freunden. Dafür, dass die mittlere Generation dieses Treffen ermöglicht hat, bedanke ich mich. Und ich sage es der jüngeren Generation noch einmal: die Zukunft gehört euch! Wir Zeitzeugen können uns auf euch verlassen, dass ihr das, was wir erlebt haben, mit eurem Journalistenberuf in die Welt tragen werdet. Frieden, Freundschaft und Freiheit – es kostet viel, diese drei Begriffe zu verwirklichen, aber es rettet die Zukunft. Das ist euer Auftrag.“

Zdzisława Włodarczyk, 80, Polen: „Ich bin glücklich, dass das Eis gebrochen ist. Wir, ehemalige Häftlinge, können über unsere Erlebnisse sprechen. Es gibt keine Mauer der Feinschaft mehr. Ich freue mich, dass das Maximilian-Kolbe-Werk internationale Projekte durchführt und ehemaligen Häftlingen aus zahlreichen Ländern hilft. Auschwitz selbst war ein internationales Konzentrationslager, wir kamen aus den unterschiedlichsten Ecken Europas. Die Feindschaft, die wir damals in uns getragen haben, existiert nicht mehr. Sie wurde durch Freundschaft ersetzt.“

Khrystyna Zanyk, 26, Ukraine: „Während der ersten Tage des Projekts habe ich die Ausstellung von Marian Kołodziej und die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besucht, und ich war mir sicher, dass ich für die Zukunft nicht optimistisch bleiben kann. Dann aber habe ich viele Gespräche mit den Zeitzeugen geführt und habe den Eindruck gewonnen, dass der Aufenthalt hier wie eine Spritze ist: zunächst tut er weh, dann stärkt er das Immunsystem. Ich danke den Zeitzeugen, dass sie dieses Immunsystem, sprich den Frieden, durch ihre Anwesenheit, durch ihre Offenheit und ihre Erinnerungen stärken.“

Anastasia Gulej, 88, Ukraine: „Im Rahmen der ukrainischen Vereinigung der ehemaligen politischen Häftlinge der nationalsozialistischen Konzentrationslager treffe ich mich oft mit den Überlebenden von Auschwitz, Dachau, Bergen-Belsen und anderen KZs. Das sind Menschen, die eigentlich damals zu Tode verurteilt worden sind. Nichtsdestotrotz haben sie überlebt und sind Menschen geblieben. Sie haben ihre Menschlichkeit nicht verloren. Die Nazis, die die Menschen nicht nur physisch, sondern vor allem moralisch vernichten wollten, hatten mit uns keinen Erfolg.“

Ilja Regier, 25, Deutschland: „Ich habe versucht, das alles zu verstehen, was hier in Auschwitz passiert ist, aber ich glaube, dass man nicht nachempfinden kann, was die Menschen damals empfunden haben. Deshalb ist die Begegnung mit den Zeitzeugen eines der intensivsten Erlebnisse meines Lebens.“

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